Michael Zeitler
Pfarrer
„Ich sehe den Kern meines Dienstes in der Verkündigung, konkret in der Auslegung des Evangeliums“
Meine Berufung habe ich nicht erlebt, als etwas, das vom Himmel gefallen ist. Wann mein Berufungsweg hin zum Priesteramt begonnen hat, lässt sich nicht an einem bestimmten Ereignis festmachen. Es war vielmehr ein Hineinwachsen. Nach meiner Erstkommunion begann ich den Ministrantendienst. In dieser Zeit durfte ich einen Heimatpfarrer erleben, der mich „begeistert“ hat. „Begeistert“ vor allem durch seine menschliche, natürliche Art. Eine Art, der alles „Frömmelnde“ fremd war. Ein Pfarrer, der ganz Mensch war. Damit hat er mir nicht nur alle Berührungsängste vor dem Priesteramt genommen, sondern mir auch gezeigt, dass dieser Weg für mich vorstellbar wäre. Nach dem Abitur und einem Jahr als Jurastudent habe ich diesen Schritt schließlich gewagt. Erst verhalten, mit der Option, die Weichen noch anders stellen zu können.
Mehr und mehr hineingewachsen bin ich dann durch meine Entscheidung, ins Augsburger Priesterseminar einzutreten. Und auch hier durfte ich wieder, vor allem mit dem damaligen Regens, Menschen erleben, die mir nicht nur Vorbilder waren, sondern auch zu wichtigen Weggefährten wurden. Dennoch blieb der Weg ein auf und ab. Zwei wochenlange Fußwallfahrten nach Rom und Santiago de Compostela haben mir geholfen, dass ich mir meines eingeschlagenen Weges sicherer werden und mein „Ja“ bei Diakonen- und Priesterweihe sprechen konnte. Doch mit der Weihe ist der Berufungsweg nicht abgeschlossen. Vielmehr betrachte ich ihn als einen lebenslangen Prozess mit Höhen und Tiefen, mit Nähe und Distanz, mit Sonnen- und Regentagen und mit ganz unterschiedlichen Wegabschnitten und Stationen.
Mir ist immer die Frage wichtig: Wie kann ich geistlich leben? Wie lässt der Alltag das zu? Zwei Antworten habe ich für mich darauf gefunden: Zum einen sehe ich den Kern meines Dienstes in der Verkündigung, konkret in der Auslegung des Evangeliums Sonntag für Sonntag. Kern ist das für mich deshalb, weil ich nur etwas verkündigen kann, mit dem ich mich zuvor intensiv beschäftigt habe. In der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Sonntagsevangelium kann ich mich mit meinem eigenen Glauben beschäftigen und ihn hinterfragen. Eine zweite Antwort ist für mich, dass ich mir Zeiten zugestehen muss, in denen ich in die Ruhe und Stille abtauchen kann. Das ist im Alltag problematisch. Darum „flüchte“ ich immer wieder gern in die Natur und begebe mich auf lange Spaziergänge, Wanderungen oder in die Berge. Das sind Zeiten für mich, in denen ich nicht nur vom Stress des Alltags abschalten, sondern auch meinen persönlichen Glauben durchdenken kann.